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wir sind zurück aus der Sommerpause! Wir haben zwar derzeit kein Funding für diesen Newsletter, haben es aber nicht ausgehalten, nicht zu schreiben. |
Wir denken weiterhin täglich über die Klimaberichterstattung nach und finden, dass wir alle einen Zahn zulegen müssen. Gleichzeitig sehen wir auch, was sich tut. Auf der Global Investigative Journalism Conference wurde Leonie gleich zwei Mal gefragt, wo denn ihr Schwerpunkt als Klimajournalistin liege. Vor zwei Jahren war „Klima” ein Schwerpunkt, irgendwo im Wissensressort. Und in zwei Jahren? Wir hätten da ein paar Ideen! |
In dieser Ausgabe erfährst du: |
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Leonie Sontheimer und Katharina Mau vom Netzwerk Klimajournalismus Deutschland |
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In diesem Sommer wurde unmissverständlich klar, was die Klimakrise für uns alle bedeutet. Katharina war gerade in Griechenland, als dort in einer anderen Region der Regen nicht mehr aufhörte. Dörfer standen unter Wasser, sodass man nur noch die Hausdächer sehen konnte. Du hast die Bilder sicher im Kopf. In Slowenien sah es ähnlich aus. In Frankfurt war der Flughafen überschwemmt, im Münsterland war die Autobahn stundenlang gesperrt… |
Viele Kolleg*innen mussten diesen Sommer in kurzer Zeit über verschiedene Extremwetter schreiben. Herausfordernd! Als Journalist*innen müssen wir Extremwetter konsequent einordnen – das heißt, den Zusammenhang zur Klimakrise jedes Mal deutlich machen. Deswegen hier nochmal ein kleiner Spickzettel: |
Extremwetter konsequent einordnen |
Die Klimakrise verstärkt Extremwetter. Einfacher Grundsatz, komplizierte Details. Unstrittig ist, dass es immer heißer wird. Dieser Sommer war weltweit der heißeste seit Beginn der Aufzeichnungen. Hitzewellen werden häufiger. Klimaforscher Douglas Maraun hat das im 5vor12 Klima-Briefing erklärt: Man spricht von einer Hitzewelle, wenn die Temperatur an mehreren Tagen eine bestimmte Schwelle übersteigt. Steigen die Durchschnittstemperaturen, wird die Schwelle häufiger überschritten. |
Und auch extreme Niederschläge werden mit der steigenden Durchschnittstemperatur häufiger. Warme Luft kann mehr Wasserdampf aufnehmen – pro Grad Erwärmung rund sieben Prozent mehr. Das ist ein physikalisches Gesetz. Als Journalist*innen müssen wir also nicht warten, bis die entsprechende Attributionsstudie da ist, um Starkregen-Ereignisse grundsätzlich einzuordnen. |
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Bei Waldbränden ist es ein bisschen komplizierter. Denn die meisten Waldbrände verursachen Menschen – durch Brandstiftung, Lagerfeuer, Zigaretten. Die Klimakrise verschärft die Waldbrandgefahr. Denn sogenanntes Feuerwetter – also hohe Temperaturen, wenig Niederschlag und Wind – tritt häufiger auf. Unsere Kollegin Stefanie Uhrig hat das bei Quarks sehr gut erklärt.
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In jedem Fall solltest du die Frage beantworten, inwiefern das extreme Wetterereignis mit der Erderhitzung zusammenhängt. Das lässt sich für kurze Radiomeldungen auf einen Satz reduzieren, also no excuses! Wie genau, das erklärt zum Beispiel der Leitfaden für Journalist*innen von der World Weather Attribution. Und auch ein Blick in dieses aktuelle Faktenpapier des Deutschen Wetterdienstes lohnt sich. Wer mehr Platz hat, sollte auch darauf eingehen, dass fossile Brennstoffe die Klimakrise anheizen – und wir die Erhitzung nur stoppen können, wenn wir aus Kohle, Öl und Gas aussteigen. |
Klima und Wirtschaft stärker zusammendenken |
Die Klimakrise ist auch eine Krise unseres Wirtschaftssystems. Wie Wirtschaftswachstum zu steigenden Emissionen führt, haben wir in Ausgabe 8 erklärt. Trotzdem blenden große Teile der Wirtschaftsberichterstattung die vorhandenen Zusammenhänge zur Klimakrise komplett aus. |
Wenn Christian Lindner plant, E-Fuels mit Steuererleichterungen zu subventionieren, sollten Journalist*innen das einordnen: Wie werden E-Fuels hergestellt? Aus grünem Wasserstoff, wenn sie klimaneutral sein sollen. Das Problem: Grüner Wasserstoff wird auf absehbare Zeit knapp bleiben und wir brauchen ihn in anderen Bereichen dringender. Solche Zusammenhänge kann eine zeitgemäße Wirtschaftsberichterstattung nicht ignorieren. |
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Ähnlich in der Debatte zum Heizungsgesetz. Die Leitfrage der Berichterstattung hätte lauten müssen: Wie könnte es denn gehen, die Heizwende so schnell wie möglich sozial verträglich umzusetzen? Denn dass sie eher gestern als heute kommen muss, wenn wir die Erderhitzung begrenzen und unsere Lebensgrundlagen retten wollen, ist ein Fakt. Journalismus kann und sollte in einer akuten Krise wie dieser gleichzeitig auf Probleme aufmerksam machen und durch konstruktive Fragen Ängste nehmen, statt sie mit anzufachen. Er kann und muss die Aussagen von Politiker*innen einordnen, statt sie einfach als “He said, she said”-Journalismus wiederzugeben. |
Auch die Waldbrände auf Rhodos sind ein Wirtschafts-Klima-Thema: Wie können Regionen, die stark vom Tourismus abhängen, mit der Doppelbelastung durch die Klimakrise umgehen? Einerseits befürchtet Griechenland schon jetzt weniger Tourist*innen wegen der immer größeren Hitze und häufigeren Waldbrände. Andererseits trägt gerade der Tourismus dazu bei, die Klimakrise weiter anzuheizen. Solche Fragen sind komplex. Aber wenn wir als Journalist*innen unserer Aufgabe gerecht werden wollen, müssen wir sie stellen. |
In einem der 5vor12 Klima-Briefings vom Netzwerk Klimajournalismus ging es deshalb auch um Degrowth. Der Wirtschaftshistoriker Matthias Schmelzer hat dort gesagt: „Eine wachsende Wirtschaft zu dekarbonisieren ist wie der Versuch, eine Rolltreppe runterzugehen, die permanent nach oben fährt.” |
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Die COP an die Menschen heranholen |
Für viele Redaktionen sind die COPs DER Anlass, um über das Klima zu berichten. Aber die immer gleichen Botschaften können auch ermüden. Und dann findet die 28. COP auch noch weit weg statt, in Dubai. Doch darin liegt schon die erste brisante Story: Der Präsident der COP28 ist nämlich niemand geringeres als der CEO der staatseigenen Abu Dhabi National Oil Company. Über die Verstrickungen der fossilen Industrie, ihrer Lobby und der obersten Verhandler*innen der COP28 möchten wir unbedingt mehr Berichte in deutschen Medien lesen – der Guardian macht es vor. |
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Zwei inhaltliche Schwerpunkte der diesjährigen COP werden der „global stocktake” und der „loss and damage fund” sein. Der Stocktake ist eine globale Bestandsaufnahme, die in diesem Jahr zum ersten Mal erfolgt und leider miserabel ausfällt, wie man hier bereits lesen kann. Beim Fonds für Verluste und Schäden geht es letztendlich um Geld und um Gerechtigkeit. Hier wird ein Konflikt ausgetragen zwischen den größten Verursachern der Klimakrise und den Regionen, die am stärksten von den Folgen betroffen sind. Ernstzunehmender Stoff für Storytelling-Formate, finden wir.
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Wo wir in den letzten Jahren eine Lücke in der COP-Berichterstattung gesehen haben, ist bei der Bedeutung dieser Mega-Konferenz für Otto Normalverbraucher. Weißt du zum Beispiel, wer dort für Deutschland verhandelt, bevor die Minister*innen einfliegen? Vielleicht kommt ja eine Delegierte aus deiner Region? Andere Frage: Welche Gesetze in Deutschland sind eigentlich aus dem Pariser Klimaabkommen entstanden? Was hat sich dadurch für Otto verändert? Und: Was hat das trockengelegte Moor hinter dem Dorf eigentlich mit der 1,5-Grad-Grenze zu tun? |
Wir wollen dazu beitragen, dass es den Medien in Deutschland gelingt, die COP an die Menschen heranzuholen. Dafür bieten wir über die Journalist*innenAkademie der Friedrich-Ebert-Stiftung im Oktober einen zweiteiligen Online-Workshop an. Wenn du als Redakteur*in oder Freie*r ein innovatives Konzept zur COP-Berichterstattung entwickeln möchtest, melde dich doch gerne hier an. Kostenpunkt: 60 Euro. |
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Du warst gerade auf zwei Journalismus-Konferenzen in Schweden und den USA. Welche Trends beobachtest du in der internationalen Klimaberichterstattung? |
DIE internationale Klimaberichterstattung gibt es nicht, das war meine erste Erkenntnis. Die Klima-Kolleg*innen in demokratischen Ländern vorrangig des globalen Nordens sind in der Mitte vieler guter Newsrooms und Medienhäuser angelangt. In anderen Teilen der Welt sieht es ganz anders aus. Dort sind viele Kolleg*innen mit stärkerer Repression konfrontiert. |
Ich beobachte einen sachten Trend zur Kooperation zwischen Kolleg*innen des globalen Nordens und Südens. Ich beobachte außerdem den Willen, in Formate und Ansprechhaltungen vorzustoßen, die auch jene audience mitnehmen, die bislang der Klimakrise wenig Beachtung schenkt. Und ich sehe einen starken Fokus auf lokal- und community-verankerte Geschichten; etwas, das ich in Deutschland so noch nicht erkennen kann. |
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Barbara Junge leitete drei Jahre das Büro des Tagesspiegels in Washington, bevor sie in die Chefredaktion der taz wechselte. Foto: Anja Weber |
Du setzt dich als Chefredakteurin für bessere Klimaberichterstattung in der Branche ein. Was hast du verändert? |
Einerseits führe ich auf unterschiedlichen Ebenen und Wegen die Diskussion und fordere Veränderungen, das bewegt hoffentlich ein wenig. Noch schöner ist es aber, wenn daraus eine konkrete Sache erwächst. Mit einer kleinen Gruppe von Kolleg*innen (unter anderem Leonie Sontheimer) konnten wir zum Beispiel einen klimajournalistischen Track beim Jahrestreffen von Netzwerk Recherche etablieren. |
In der taz habe ich die Gründung mehrerer neuer Teams mit befördert, die sich auf sehr unterschiedliche Arten mit der Klimakrise auseinandersetzen. In der taz ist die Klimakrise publizistisch im ganzen Haus, also Redaktion und Verlag, angekommen. |
Die taz zählt auf der Webseite das verbleibende CO2-Budget runter. Was braucht es aus deiner Sicht, um solche Kennzahlen und ihre Bedeutung zu etablieren? |
Dieses CO2-Budget bei der taz zu etablieren hat einige Kolleg*innen viel Zeit und Kraft gekostet und uns alle viele Nerven. Es war auch bei der taz nicht selbstverständlich. Was ich damit sagen will: Man muss es forcieren, vorantreiben, anderen auf die Nerven gehen, in allen Häusern. Was hilft, ist der anschauliche Verweis auf anerkannte und geschätzte Medien in anderen Ländern. Aber man muss sich auch der Diskussion stellen, wo Kennzahlen sinnig sind und wo vielleicht auch kontraproduktiv. |
Welche Newsletter liest du, um dran zu bleiben? |
Ich neige dazu, englischsprachige Klima-Newsletter zu lesen. Für Themen, die sonst vielleicht außerhalb der eigenen Wahrnehmung blieben. Carbon Brief hat auf jeden Fall tolle Newsletter für den Überblick. Und den wöchentlichen Newsletter von Covering Climate Now finde ich auch gut. In der taz schreiben wir mit TeamZukunft wöchentlich über positive Entwicklungen, über Utopien oder konstruktive Ansätze in der Klimakrise. |
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Die Berichterstattung über die Waldbrände auf Rhodos hat Katharina in Deutschland vor allem aus Perspektive der fliehenden Tourist*innen mitbekommen. Der Guardian zeigt in einem Foto-Essay die Menschen, die alles verloren haben – mit kurzen, berührenden Protokollen. „The young community gave a huge fight to save our village; young people not only from our village but from the whole island. [...] The optimism I have during this climate crisis is from our community response.” |
So schlecht ist Deutschland auf Extremwetter vorbereitet |
Was machen Landkreise, um die Menschen vor Hitze, Dürre und Starkregen zu schützen? Die erschreckende Antwort: erstaunlich wenig. Die deutschlandweite Recherche von Correctiv, NDR, WDR und BR ist Mitte Juli erschienen – ist aber weiterhin aktuell und wichtig. Correctiv zeigt die häufigsten Schutzmaßnahmen und wie stark die Landkreise von den jeweiligen Extremwettern betroffen sind. Bei Quarks kannst du sehen, welche Maßnahmen dein Landkreis jetzt schon ergriffen hat – und welche nicht. |
Hinter den Kulissen der letzten Generation |
Wer sind die Menschen, die sich in Warnwesten auf die Straße kleben? Wieso geben sie für ihren Aktivismus so viel auf? Und mit welchen Mitteln versucht die Gruppe, Menschen für ihren Aktivismus zu überzeugen? Diesen Fragen gehen Daphne Ivana Sagner und Céline Weimar-Dittmar im Podcast „Hitze – Letzte Generation Close-Up” nach. Besonders spannend fanden wir Folge 5, in der es um die Anfänge der Letzten Generation beim Hungerstreik zur Bundestagswahl 2021 geht. Darum, welche Strukturen sich daraus gebildet haben – und was Menschen kritisieren, die ganz am Anfang noch dabei waren, aber danach ausgestiegen sind. |
Wenn du dich dieses Jahr noch intensiver mit der Frage beschäftigen möchtest, was Klimajournalismus leisten sollte, können wir dir die Climate Arena Conference empfehlen. Journalist*innen und Wissenschaftler*innen werden vom 9. bis 11. November in Wien zusammenkommen, um Best Practices zu teilen und neue Projekte zu planen. Hier gibt es schon einen Blick ins Programm. Die Tickets kosten 100 bis 200 Euro. |
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