JETZT
AKTIV
WERDEN
JETZT
AKTIV
WERDEN
Unsere Newsletter → ONBOARDING → Klimaschutzgesetz
*|MC:SUBJECT|*

Hallo,

wir sagen, wie es ist: Wir hatten im Juni Klimaangst. Als auf Twitter plötzlich all die Temperatur-Grafiken auftauchten, in denen die Messwerte stark von denen abwichen, die bisher zu dieser Jahreszeit gemessen wurden. Besonders krass: die Daten zur Oberflächentemperatur im Nordatlantik. Und dass so viele Wissenschaftler*innen selbst beunruhigt waren.

Warum die Meeresoberfläche dieses Jahr so warm ist, ist noch nicht endgültig geklärt. Wahrscheinlich ist es eine Mischung aus der Erderhitzung, dem Wetterphänomen El Niño und abgeschwächten Passatwinden. Es wurde auch diskutiert, ob der verminderte Ausstoß bestimmter Schwefelaerosole im Schiffsverkehr eine Rolle spielen könnte. Zeit Online und @klima.neutral haben gute Zusammenfassungen veröffentlicht. Die aktuellen Daten kannst du hier verfolgen.

Ein Grund mehr, Klimaschutz und Klimaanpassung ernst zu nehmen!

In dieser Ausgabe lernst du:

  • wie du die Novelle des Klimaschutzgesetzes richtig einordnest,

  • warum du Menschen mit Behinderungen bei der Klimaberichterstattung mitdenken solltest,

  • und wo du aktuelle Infos zu Klima und Gesundheit in Deutschland findest.

Leonie Sontheimer und Katharina Mau vom Netzwerk Klimajournalismus Deutschland

Schon im März gab es Aufruhr um das Klimaschutzgesetz (KSG). Da hatten sich die Parteispitzen in einer ewig langen Sitzung auf gravierende Änderungen am Gesetz geeinigt. Vor zwei Wochen hat das Kabinett die Novelle beschlossen. Bundestag und Bundesrat besprechen sie wahrscheinlich erst nach der Sommerpause. Wir Journalist*innen sollten derweil ganz genau auf die Änderungen im Gesetz schauen. Und dieses Briefing soll dir dabei helfen. Wir fassen zusammen, was sich ändert und wieso es bald neue Klagen geben könnte. Aber erstmal zu den Basics des KSG. Wenn du die alle kennst, kannst du die nächsten zwei Abschnitte überspringen.

Was ist das KSG?

Das Klimaschutzgesetz ist das Gesetz, das dafür sorgen soll, dass Deutschland seinen fairen Beitrag zur Einhaltung des Pariser Klimaabkommens leistet: „deutlich unter 2 Grad, möglichst 1,5 Grad Celsius” – du kennst es. Das KSG enthält aber keine einzelnen Maßnahmen zur CO2-Reduktion. Es schreibt fest, wie viele Emissionen bis wann eingespart werden sollen und wie das kontrolliert wird. Kurzer Reminder: Momentan muss Deutschland bis 2045 „Netto-Treibhausgasneutralität”  erreichen, also unterm Strich dürfen wir der Atmosphäre dann keine Treibhausgase mehr zufügen. Bis 2030 müssen die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 um 65 Prozent sinken, bis 2040 um 88 Prozent. Warum diese Ziele eigentlich nicht reichen, um das Pariser Abkommen einzuhalten, haben wir in unserer ersten Ausgabe geschrieben.

Was bisher geschah – Timeline KSG

  • Dezember 2019: Das von der Großen Koalition beschlossene KSG tritt in Kraft  – damals mit dem Ziel, bis 2050 treibhausgasneutral zu werden.

  • April 2021: Das Bundesverfassungsgericht erklärt das KSG in Teilen als mit den Grundrechten unvereinbar – es sei nicht hinreichend festgelegt, inwieweit die Emissionen ab 2031 reduziert werden sollen.

  • August 2021: Die erste Novelle des KSG tritt in Kraft. Der Bund hat nachgebessert und unter anderem die noch heute gültigen Ziele für die Jahre 2031 bis 2040 festgelegt.

  • Juni 2023: Das Kabinett beschließt die zweite Novelle. Jetzt müssen Bundestag und Bundesrat noch zustimmen.

Was ändert sich mit der zweiten Novelle?

Erinnerst du dich, dass das Verkehrsministerium zweimal hintereinander die im Klimaschutzgesetz festgelegten Ziele verfehlt hat? Und bis heute kein Sofortprogramm vorgelegt hat, das ausreicht, um die Ziele in Zukunft einzuhalten? Das Kabinett hat gerade beschlossen, dass die Sektorziele nicht mehr verbindlich sind. Auch die Sofortprogramme für einzelne Sektoren soll es nicht mehr geben. Zukünftig will die Regierung mit einer Gesamtrechnung (über alle Sektoren hinweg) prüfen, ob die Klimaziele eingehalten werden. Die Emissionsmengen der einzelnen Sektoren werden zwar weiterhin berechnet. Aber die Verantwortung der Ministerien für ihren Bereich wurde abgeschwächt.

Das Bild zeigt einen Tweet von Kurt Stukenberg

Eine weitere Änderung: Bisher hat das Umweltbundesamt die Emissionen der einzelnen Sektoren im Nachhinein berechnet. Stattdessen will die Regierung künftig auf Projektionen in die Zukunft schauen. Das Umweltbundesamt berechnet also zusätzlich, ausgehend von der aktuellen Situation, die Emissionsentwicklung bis 2030. Wenn dabei (in zwei aufeinanderfolgenden Jahren) herauskommt, dass die Emissionen voraussichtlich höher sein werden als erlaubt – dann muss die Regierung nachsteuern.

Wer alle Änderungen der Novelle sehen möchte: Table Media hat eine Version des KSG hochgeladen, in der diese farblich markiert sind. Danke Malte Kreutzfeldt an dieser Stelle!

Was ändert sich mit der zweiten Novelle?


(Not so funny) funfact: Im Paragraph 11 des KSG wird die Einrichtung eines Expertenrats für Klimafragen vorgeschrieben. Den gibt es seit 2020. Und seine Expert*innen sagen, dass die jetzigen Änderungen das Risiko erhöhen, die Klimaziele in Zukunft zu reißen. So gehen sie zum Beispiel davon aus, dass es den Klimaschutz verzögert, wenn die Regierung nur alle zwei Jahre nachsteuern muss. In einem Dokument des BMWK heißt es wiederum, dass mit der Novelle des KSG auch die Rolle des Expertenrates gestärkt werden soll. 

Das Foto zeigt einen Tweet von Brigitte Knopf.

Falls du Brigitte Knopf noch nicht folgst, tu es jetzt.

Wieso könnte es zu neuen Klagen kommen?

Einige Verbände vermuten, dass manche Änderungen verfassungswidrig sein könnten. Die Thinktanks Agora Energie- und Verkehrswende etwa haben ein Rechtsgutachten beauftragt. Darin wird klargestellt, dass die Bundesregierung derzeit ihr eigenes Gesetz bricht, weil sie keine Sofortprogramme in den Sektoren Gebäude und Verkehr einfordert. Die weitere Schwächung dieses „Sanktions”-Mechanismus bewerten die Jurist*innen als „verfassungsrechtlich problematisch” (S.30).

Die Gutachter*innen empfehlen eine „zeitnahe Nachsteuerung, weil sich anderenfalls Rückstände „aufstauen“, die dann später in umso kürzerer Zeit und mit radikaleren Maßnahmen wieder aufgeholt werden müssten” (S. 37). Kerngedanke ist dabei immer die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts von 2021, dass die Regierung nicht einfach große Teile der Treibhausgasminderungen auf die Zeit nach 2030 verschieben darf.

Und das Klimaschutzprogramm?

Mit welchen Maßnahmen CO2 in den einzelnen Sektoren reduziert werden soll, steht wie gesagt nicht im KSG. Dafür gibt es das im KSG (§9) festgeschriebene, übergreifende Klimaschutzprogramm. Ein Entwurf des Klimaschutzprogramms 2023 soll bald durch Kabinett und Bundestag gehen. Wenn du ihn überfliegst, wird dir auffallen, dass viele der Maßnahmen bereits umgesetzt werden. Richtig viel Neues gibt es im „neuen Klimaschutzprogramm” also gar nicht.

Robert Habeck hat die Veröffentlichung des Entwurfs trotzdem kommunikativ genutzt: „Wir schließen die Klimaschutzlücke, die die Vorgängerregierung uns hinterlassen hat, um bis zu 80 Prozent“, hat er gesagt. Umgekehrt heißt das: Es gibt nach wie vor eine „Klimaschutzlücke” von 20 Prozent.

Das Bild zeigt einen Tweet von Ann-Kathrin Büüsker

Vom Expertenrat für Klimafragen wird es am 14.08. eine Stellungnahme zum Klimaschutzprogramm geben. Gern für das Sommerloch vormerken!

Eine Folge der Klimakrise: Wir müssen uns auf mehr Extremwetter einstellen. Ihr veröffentlicht bald einen Film zum Katastrophenschutz und dem Umgang mit Menschen mit Behinderung. Was sind die wichtigsten Erkenntnisse aus eurer Recherche?

Unser Ausgangspunkt war die Flut im Ahrtal. 134 Menschen sind gestorben, 12 davon waren Menschen mit Behinderung aus einem Wohnheim in Sinzig. Wir haben uns gefragt: Wie werden Menschen mit Behinderung im Katastrophenschutz abgebildet? Wo sind strukturelle Probleme? Das Ergebnis: Der Katastrophenschutz geht stark von einer Norm aus. Gruppen, die dieser Norm nicht entsprechen, fallen durch. Für Menschen mit Behinderungen ist das Risiko, in Katastrophen zu sterben, zwei bis vier Mal höher. Aber auch andere Gruppen, wie alte Menschen oder Personen, die nicht gut deutsch sprechen, sind gefährdeter.

Das Bild ist ein Thumbnail des Films mit dem Titel Rette sich wer kann

Zu den einzelnen strukturellen Hindernissen möchte ich nichts vorwegnehmen. Wir veröffentlichen den Film am 11. Juli exklusiv auf unserer Webseite. Aber wir freuen uns, wenn Journalist*innen mit uns kooperieren und über Aspekte berichten, die der Film nicht abdeckt. Meldet euch sehr gern!

Bei „andererseits” arbeiten Menschen mit und ohne Behinderungen zusammen. Was zeichnet eure Redaktion aus?

Inklusion bedeutet nicht, dass Menschen sich anpassen müssen, sondern ein System zu schaffen, in dem alle Menschen gut aufgehoben sind. Ein Beispiel: Jemand, der gehörlos ist, kann nicht schlechter kommunizieren, sondern niemand im Raum spricht seine Sprache. Da kann ein Dolmetscher vermitteln. Wir fragen bewusst, wer welche Unterstützung braucht, um gut arbeiten zu können. Und zwar nicht nur Menschen mit Behinderungen, sondern alle.

Und dann fragen wir auch die Community viel: Gerade läuft zum Beispiel ein Schwerpunkt zu Hitze, für den wir in der Community nachgefragt haben, wie es ihnen mit Hitzewellen geht und welche politischen Maßnahmen sie bräuchten. Ich habe bei „andererseits” gelernt, mich einfacher verständlich auszudrücken. Das hat meinen Journalismus bereichert. In der Branche neigen wir ja dazu, komplizierte Sätze zu schreiben.

Ein Portrait der Journalistin Emilia Garbsch

Emilia Garbsch ist freie Redakteurin bei andererseits – einem leser*innenfinanzierten, deutschsprachigen Medium, bei dem Menschen mit und ohne Behinderung gleichberechtigt zusammenarbeiten. Emilias Traum ist es, investigativen Journalismus mit Inklusion zu verbinden. Foto: Stefan Fürtbauer

Wie macht ihr Klimajournalismus und was können andere Redaktionen von euch lernen?


Man sagt im Klimajournalismus ja gern: Jedes Thema ist ein Klimathema. Ich sage, jedes Thema hängt auch irgendwie mit Inklusion, Behinderung, Barrieren zusammen. Und gerade im Klimaschutz, bei der Klimaanpassung ist es so wichtig, nach Menschen mit Behinderung zu fragen. Viele wissen nicht, dass bis zu 20 Prozent der Bevölkerung eine Behinderung haben. Wenn wir die bei Klima-Maßnahmen nicht mitdenken, haben wir ein Problem. Und wenn man einmal anfängt, auf diese Gruppe zu achten, schärft sich auch der Blick für andere marginalisierte Gruppen.

Unseren Klimajournalismus prägt, dass wir verständlich sein wollen. Die Doku ist, so gut es ging, in einfacher Sprache gehalten. Also die Sätze sind kurz, Fachwörter werden erklärt. Das war eine Herausforderung, gerade bei den Interviews mit Expert*innen. Den Anspruch an Verständlichkeit sollten im Klimajournalismus alle Redaktionen verfolgen. Und das langfristige Ziel muss sein, Kolleg*innen mit Behinderung zu haben: Menschen mit Einschränkungen in der Mobilität, mit Sinnesbehinderungen, Lernschwierigkeiten oder Autismus und so weiter.

Wo können Kolleg*innen anfangen, wenn sie Inklusion mehr mitdenken möchten?

Ich kann empfehlen, der Journalistin Andrea Corinna Schöne zu folgen. Sie ist auf Katastrophen und Klima spezialisiert. Ein guter Punkt zum Andocken ist auch „Die neue Norm”, ein Online-Magazin von Menschen mit Behinderungen, die zu diversen Themen berichten. Und dann natürlich noch unser andererseits-Newsletter, da sind auch manchmal Klimathemen drin.

Wie wirkt sich die Klimakrise auf die Gesundheit in Deutschland aus?

Dieser Frage widmet sich das Robert Koch-Institut in drei Sachstandsberichten. Der erste ist Anfang Juni erschienen und beschäftigt sich vor allem mit Infektionskrankheiten – die werden mit den steigenden Temperaturen häufiger. Zum Beispiel breitet sich das West-Nil-Virus (das erst seit kurzem in Deutschland vorkommt) in längeren und heißeren Sommern stärker aus. Der Bericht gibt auch Handlungsempfehlungen: zum Beispiel Gesundheitspersonal schulen und die Bevölkerung aufklären. Wenn du weiter zu Klima und Gesundheit recherchieren möchtest, können wir dir noch diese zwei Ressourcen empfehlen: den Medienservice der Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen und diese Sondererhebung zu Hitze der PACE-Studie.


Welches Klimaziel sollte sich die EU für 2040 geben?

Vom deutschen Klimaschutzgesetz weiter zum europäischen. Das verlangt, dass die EU sich ein Emissionsminderungsziel für 2040 gibt. Dazu hat ein gesetzlich vorgesehener Beirat nun einen Bericht mit Empfehlungen veröffentlicht. Er bezieht sich dabei explizit auf das vom IPCC berechnete verbleibende Emissionsbudget für die 1,5-Grad-Grenze. Und empfiehlt, die Emissionen bis zum Jahr 2040 um 90 bis 95 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Reinschauen lohnt sich, der Bericht zeigt am Ende auch verschiedene Wege auf, wie das gelingen kann. Gleichzeitig betont er, dass die EU ihren fairen Anteil am globalen Budget wohl trotzdem überschreiten würde und Länder außerhalb der EU dabei unterstützen sollte, ihre Emissionen zu reduzieren. 

Mit dieser Ausgabe verabschieden wir uns in die Sommerpause. Es ist auch die letzte, die durch den WPK-Innovationsfonds gefördert wurde. Momentan suchen wir nach Stiftungen, die unseren Newsletter weiter finanzieren. Wenn du Tipps dazu hast oder uns mit passenden Menschen connecten kannst, melde dich gern!

Außerdem wollen wir dir ein neues Netzwerk-Angebot ankündigen 🥳 Theresa Leisgang und Lukas Bayer haben in den letzten Wochen eine Weiterbildungsreihe entwickelt – für alle, die noch tiefer einsteigen wollen. Das Klima-Briefing heißt „5vor12”: Die Calls gehen jeweils von 11.55 bis 13 Uhr – nebenbei Mittag zu essen ist ausdrücklich erlaubt. Los geht’s am 30. August mit Stefan Rahmstorf zu Kipppunkten im Klimasystem, Fragerunde inklusive. Hier findest du das ganze Programm und Infos zur Anmeldung.

Im Bild sieht man die Ankündigung einer Veranstaltung mit einem Forscher und dem Titel: Kippunkte im Klimasystem: Wie ordne ich sie richtig ein?

Wie immer freuen wir uns, wenn du diesen Newsletter weiterleitest Wenn du selbst diese Ausgabe weitergeleitet bekommen hast, kannst du das Briefing hier abonnieren:

Newsletter abonnieren