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Hattest du einen schönen 1. Mai? Wir wollten am Tag der Arbeiter*innenbewegung keine Arbeitsmail verschicken. Deshalb das Briefing diesen Monat ausnahmsweise an einem Dienstag. Wir hoffen, dass wieder relevante Infos und Tipps für dich dabei sind! |
In dieser Ausgabe haben wir für dich Antworten auf folgende Fragen: |
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Zunächst aber noch zu einem wirklichen Skandal des letzten Monats: Das Bundesverkehrsministerium hat sein Sektorziel für 2022 weit verfehlt und müsste nach dem Klimaschutzgesetz jetzt ein Sofortprogramm vorlegen. In einer langen Sitzung hat der Koalitionsausschuss zwar beschlossen, die Sektorziele und damit Sofortprogramme quasi abzuschaffen. Deswegen will das Verkehrsministerium kein Sofortprogramm erarbeiten. Diese Änderung muss aber erst noch durch den Bundestag. Somit verstößt das Verhalten gegen geltendes Recht. |
Ein Vergleich aus dem Podcast „Die Lage der Nation” führt ganz gut vor Augen, wie absurd das alles ist: „Wenn bald Cannabis per Gesetz legalisiert wird, kann man doch jetzt schon kiffen.” Diese Argumentation würden Polizist*innen bei der Kontrolle wohl kaum akzeptieren. Olaf Scholz lässt sie Volker Wissing aber durchgehen. |
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Leonie Sontheimer und Katharina Mau vom Netzwerk Klimajournalismus Deutschland |
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Heute geht's um eine Idee, die im Koalitionsvertrag der Ampel auf Seite 63 steht und da gerade verstaubt: das Klimageld. Ganz kurz gesagt ist das eine bestimmte Summe, die alle Bürger*innen ausgezahlt bekommen sollen – als Kompensation dafür, dass Preise klimaschädlicher Produkte steigen. Der soziale Gedanke: Wer kaum klimaschädlich konsumiert, bekommt vom Preisanstieg weniger mit und hat umso mehr vom Klimageld. Die Idee fanden nicht nur alle Parteien der Koalition gut, sondern auch die Bevölkerung. |
Das Klimageld ist also ein wichtiger Baustein für sozial gerechten Klimaschutz. Es funktioniert aber nur im Zusammenspiel mit einigen anderen Mechanismen, die teilweise auch schon umgesetzt werden. Deshalb erstmal eine Begriffsklärung. |
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Damit die CO2-Emissionen sinken, werden Produkte, die Emissionen verursachen, teurer gemacht, beziehungsweise ihr Schaden teilweise eingepreist. Das kann man zum Beispiel durch eine Steuer oder einen Emissionshandel umsetzen. |
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Auf EU-Ebene gibt es dazu schon seit 2005 einen Emissionshandel (ETS). Aktuell müssen Kraftwerke, große Industrieanlagen und der innereuropäische Luftverkehr für ihre CO2-Emissionen Zertifikate kaufen. Eine Tonne CO2 kostete 2022 im Schnitt 80 Euro. |
Mal eine gute Nachricht: Der Emissionshandel der EU soll jetzt noch ausgeweitet werden und auch die Schifffahrt, Gebäude und den Straßenverkehr einbeziehen. Darauf hat sich das Europaparlament am 18. April geeinigt. Nun müssen noch die Mitgliedsländer zustimmen. |
Emissionshandel in Deutschland |
In Deutschland haben wir das teilweise schon: Seit 2021 gibt es einen nationalen Emissionshandel in den Bereichen Wärme und Verkehr, also auf fossile Heiz- und Kraftstoffe. Eine Firma, die zum Beispiel mit Heizöl handelt, muss dafür Emissions-Zertifikate kaufen, um sozusagen ein Verschmutzungsrecht zu erhalten. Verbraucher*innen zahlen in diesem Mechanismus indirekt, wenn die Firma den Preis für ihr Heizöl erhöht. Ein Zertifikat für eine Tonne kostet aktuell 30 Euro. Bis 2025 soll der CO2-Preis schrittweise auf 55 Euro pro Tonne steigen. Dieses Jahr hat die Bundesregierung die Erhöhung allerdings ausgesetzt. |
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Hieß es 2021 noch im Koalitionsvertrag auf Seite 62. |
Nur mal zum Vergleich: Die reellen Kosten, die uns durch eine Tonne CO2 entstehen, liegen laut Umweltbundesamt (UBA) aktuell bei 237 Euro – und das auch nur, wenn wir das Wohl heutiger Generationen stärker gewichten als das zukünftiger. Sonst sind es 809 Euro. |
Die Zertifikate vergibt übrigens die Deutsche Emissionshandelsstelle im UBA. Die Einnahmen gehen an den Bund und fließen in den: |
Klima- und Transformationsfonds |
Der hieß früher Energie- und Klimafonds. 2022 flossen aus der nationalen CO2-Bepreisung 6,4 Milliarden Euro in den Fonds. Dazu kam ungefähr nochmal so viel Geld aus dem EU-Emissionshandel. Davon soll – wie der Name des Fonds schon sagt – die Transformation zu einem klimaneutralen Deutschland bezahlt werden. Der Etat umfasst unter anderem die „Ausgleichszahlungen für Betreiber von Kohlekraftwerken”. Auch die gerade heiß diskutierte Umrüstung von Heizungen möchte die Regierung durch den Fonds unterstützen. |
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Das hätte auch im Etat des Transformationsfonds stehen können. Aber irgendwie ist das Vorhaben versandet. Ob das politisch gewollt ist? Schwer zu beurteilen. Es gibt jedenfalls bürokratische Hürden, die die Regierung noch überwinden müsste, bevor sie das Klimageld einführen könnte. |
Ein Problem ist die Auszahlung: Denn der Staat hat gar nicht die Kontodaten aller Bürger*innen. Er hat nur die Steuer-Identifikationsnummern. Wie man die Auszahlung daran koppeln könnte, wird im Bundesfinanzministerium gerade laut eigener Aussage „mit Hochdruck“ ausgeklügelt, wie Elena Kolb für den Freitag herausgefunden hat. Einen Deep Dive zu den Möglichkeiten und Herausforderungen des Klimagelds bietet diese Analyse des Ariadne-Projekts. |
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Andere Länder sind uns voraus |
In Österreich wurde letztes Jahr das Pendant eingeführt. 250 Euro Klimabonus (plus einmalig 250 Euro Anti-Teuerungsbonus) landeten bei allen Erwachsenen mit Hauptwohnsitz im Land auf dem Konto – teilweise mit gewisser Verzögerung, aber okay. Kinder bekamen die Hälfte. In diesem Jahr soll der Bonus regional gestaffelt werden: Wer in einer Region mit schlecht ausgebauten öffentlichen Verkehrsmitteln lebt, bekommt einen höheren Bonus als diejenigen in den Städten. Auch in der Schweiz und Kanada bekommen die Menschen Geld zurück. |
Am Ende geht es um die Frage, wie Klimaschutz innerhalb von Deutschland sozial gerecht gestaltet werden kann. Während die reichsten ein Prozent in Deutschland nur durch ihren Konsum drei Mal so viele Treibhausgase verursachen wie der Durchschnitt, sind es die armen Haushalte, die als erstes unter den Folgen der Klimakrise leiden. Welche politischen Maßnahmen gegen die Ungleichheit es neben dem Klimageld noch gibt, könnt ihr in einem aktuellen Radio-Feature von Kristin Langen und Leonie Sontheimer hören. |
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Du hast mit Susanne Götze das Buch „Die Klimaschmutzlobby” veröffentlicht. Kannst du ein Beispiel nennen, wo diese Lobby in den letzten Monaten Klimaschutz ausgebremst hat? |
Die Netzwerke, die wir 2020 in unserem Buch beschrieben haben, sind heute noch genauso aktiv und einflussreich. Das grellste Beispiel ist sicherlich die Kampagne gegen das Verbot von neuen Öl- und Gasheizungen nach 2024. Das Verbot ist absolut sinnvoll. Wir alle erinnern uns daran, wie uns die große Gasabhängigkeit von Russland politisch bedrängt hat. Und dass Gas klimaschädlich ist und künftig nicht mehr verbrannt werden sollte. |
Trotzdem haben die FDP, die Bild-Zeitung und Wirtschaftsverbände irrationale Ängste geschürt. Beispielsweise Politiker wie der FDP-Abgeordnete Frank Schäffler, der sich selbst als „Klimaskeptiker” bezeichnet – und über seinen eigenen Thinktank marktradikalen Interessensverbänden wie der Hayek-Gesellschaft nahesteht. Dieselben Muster finden sich bei der Debatte um das europäische Verbrenner-Aus, oder um eine fleischärmere Ernährung. |
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Annika Joeres ist Journalistin, Autorin und Moderatorin und lebt in Südfrankreich. Sie arbeitet als Klimareporterin für Correctiv und als Frankreich-Korrespondentin vor allem für die ZEIT. Zusammen mit Susanne Götze hat sie die Bücher „Die Klimaschutzlobby” und „Klima außer Kontrolle” geschrieben. Foto: Rebecca Marshall |
Was sollten wir bei der Berichterstattung über die „Klimaschmutzlobby” besser machen? |
Journalist*innen sollten sich genauer angucken, welche Person in Talkshows, auf Bühnen, in den Parteien jeweils spricht und welchen potentiellen Interessenkonflikten sie verhaftet ist. Die wenigsten Lobbyverbände treten direkt auf, sie verstecken sich meistens hinter Studien und Thinktanks. Wie etwa die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), die von den Arbeitgeberverbänden Metall bezahlt wird und im vergangenen Bundestagswahlkampf diese lächerliche Verbots-Kampagne gegen die grüne Spitzenkandidatin Annalena Baerbock führte. |
Ein Lobby-Einfallstor, das noch viel zu wenig beachtet wird, sind Auftragsstudien. Die beauftragten Forschenden haben als Wissenschaftler*innen häufig einen Status der Unantastbaren, obwohl einige von ihnen sehr wohl eigene Interessen verfolgen. Sie verfassen dann etwa Studien für Nordstream darüber, wie positiv sich diese Pipeline auf die europäischen Gaspreise auswirken wird. Oder Studien für die INSM, warum die Energiewende die Bürger*innen angeblich 500 Milliarden Euro kostet. Leider schaffen es solche bezahlten Studien häufig in Medien, ohne dass ihr Kontext genannt wird. |
Welcher Aspekt der Klimakrise beschäftigt dich gerade am akutesten? |
Susanne Götze und ich schreiben gerade unser drittes Buch, dieses Mal zur Wasserkrise: „Durstiges Land“ erscheint im August. Wir haben recherchiert, wie wir mit der Wassernot in ein paar Jahrzehnten leben werden, was Dürren langfristig bedeuten und wie gefährdet unser Trinkwasser ist. Vieles hat selbst uns als langjährige Klimajournalistinnen überrascht – und erschreckt. Etwa, dass im Grunde genommen alle Flüsse renaturiert werden müssten, oder wie aufwändig und teuer es ist, Salzwasser trinkbar zu machen. |
Wir zeigen den Best und den Worst Case in einer nahen Zukunft. Die pessimistische Variante erzählt sich immer viel leichter – wahrscheinlich, weil wir uns alternative Lebensmodelle nur selten vorstellen. Aber das Besondere an dem Buch ist, dass wir auch eine positive Version entwerfen. Das hat Spaß gemacht. |
Du berichtest auch als Korrespondentin aus Frankreich. Was können wir uns in Sachen Klimaberichterstattung von den Nachbarn abschauen? |
Frankreich ist Deutschland ja immer einige Zeit voraus, was die Folgen der Klimakrise angeht – wir haben gerade eine extreme Winterdürre erlebt, nun lodern so genannte Frühjahrsbrände und viele Kommunen müssen schon jetzt mit Tanklastern beliefert werden, weil die Trinkwasserquellen versiegt sind. Insofern kommen hier nun politische Debatten auf, die Deutschland noch bevorstehen, etwa über die Sinnhaftigkeit von großen Wasserbecken zur Speicherung für die Landwirtschaft oder wer Vorrang hat, wenn das Wasser knapp wird. |
Und es gibt spannende Initiativen in verschiedenen Redaktionen, etwa bei „Radio France“. Die denken die Klimakrise bei der Berichterstattung über alle möglichen Themen mit, Stichwort „Klima als Dimension“. Eine der meist gehörten Radiosendungen am Morgen hat eine größere Klima-Rubrik und bietet täglich konkrete Tipps, wie Energie gespart werden kann, welche Produkte – etwa Reinigungsmittel aber auch Obst oder Kleidungsstücke – besser zu meiden sind und vieles mehr. Diese Stücke werden sehr launig moderiert und sind häufig auch mit rockiger Musik unterlegt. Das ist doch ein schönes Vorbild. |
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Emissionen müssen viel stärker sinken |
Der Expert*innenrat für Klimafragen hat im April seinen neuen Bericht vorgelegt. Darin prüft er die Emissionsdaten, die das Umweltbundesamt berechnet, und gibt auch eine Einschätzung zur Entwicklung der Emissionen ab. Wichtige Punkte: Wäre das Wetter nicht so mild gewesen und hätten nicht viele wegen des Kriegs in der Ukraine weniger geheizt, hätte der Gebäudesektor sein Ziel noch stärker verfehlt als ohnehin schon. Hätte die Industrie nicht wegen der hohen Energiepreise deutlich weniger produziert, hätte der Sektor das Ziel nur noch sehr knapp erreicht. Und: Wenn die Regierung sich an ihr eigenes Gesetz halten will, müssen die Emissionen in den nächsten Jahren noch viel stärker sinken als bisher. Dass die Verantwortung der einzelnen Sektoren aufgeweicht wurde, macht das alles nicht besser. |
Eine Vorahnung, was die Klimakrise für Europa bedeuten kann |
Zwei Berichte analysieren den Zustand des Klimas 2022 – einmal global von der der Weltorganisation für Meteorologie und einmal für Europa von der EU-Institution Copernicus. Das Science Media Center hat mehrere Forschende gebeten, die wichtigsten Fakten aus den Berichten einzuordnen. „Die rasante Erwärmung Europas übersteigt unsere Erwartungen spürbar. Insbesondere die heißen, trockenen Sommer der vergangenen Jahre, einschließlich 2022, geben uns eine Vorahnung dessen, was Klimawandel auch hier in Europa konkret bedeuten kann”, sagt dort Helge Goessling, Leiter der Arbeitsgruppe Nahtlose Meereisvorhersage am Alfred Wegener Institut. |
IPCC-Berichterstattung: Kosten von Klimaschutz im Vordergrund |
Auf diese Studie sind wir im Slack-Channel des Netzwerk Klimajournalismus gestoßen. (Dazukommen lohnt sich Antwortet einfach auf diese Mail und wir schicken euch den Link.) Forschende haben sich die Fernsehberichterstattung über den ersten Teil des aktuellen IPCC-Berichts angesehen – in Australien, Brasilien, Großbritannien, Schweden und den USA. Immerhin: In den Mainstream-Sendern (im Gegensatz zu den als „rechts” eingestuften) wurde kaum noch die zugrundeliegende Wissenschaft in Frage gestellt. Allerdings bedienen sich auch die Mainstream-Sender eines Framings, das zum Beispiel die Kosten von Klimaschutz in den Vordergrund stellt und den persönlichen Verzicht. Das können wir besser! |
In diesem Sinne: Danke, dass du unser Briefing abonniert hast und mit uns an einer besseren Klimaberichterstattung arbeitest Hol doch gerne noch weitere Kolleg*innen an Bord. Und wenn du die Mail weitergeleitet bekommen hast, kannst du den Newsletter jetzt mit einem Klick abonnieren:
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PS: Komm doch am Donnerstag zu unserem monatlichen Call vom Netzwerk Klimajournalismus. Wir sprechen über die SB 58. Das ist eine Klimakonferenz, die vom 5. bis 15. Juni in Bonn stattfindet. Warum es sich lohnt, vor Ort zu sein, wie man sich akkreditiert und was Pressevertreter*innen auf der SB 58 erwartet, erfährst du am 4. April um 18 Uhr hier (nur für Journalist*innen). |
PPS: Apropos Klimakonferenzen. Heute und morgen findet auch der Petersberger Dialog im Bundesaußenministerium statt. Steht schon was dazu in eurem Redaktionsplan? |
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