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Wir gucken heute auf eine These, die manche Politiker*innen streuen: Klimaschutz würde der Wirtschaft schaden. Zum Auftakt des Wahlkampfes machte zum Beispiel Christian Lindner Klimapolitik und Bürokratie für die Schwäche der deutschen Wirtschaft verantwortlich und warnte vor einer „sich beschleunigenden Deindustrialisierung”. |
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Nochmal ne Schippe drauf legte Hubert Aiwanger, Bayerns Wirtschaftsminister: „Wenn wir sehen, dass ansonsten die Wirtschaft den Bach runtergeht, die Industrie eben nach USA verlagert, dann helfen uns die ganzen CO2-Ziele nichts, wenn das CO2 woanders ausgestoßen wird und wir arbeitslos sind.” |
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Über derartige Behauptungen haben wir letzte Woche mit Expert*innen gesprochen, in unserem zweiten Sonderbriefing zur Bundestagswahl. Die Aufzeichnung des Calls und die Folien findest du hier. In diesem Newsletter fassen wir die wichtigsten Aspekte für dich zusammen: |
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Schadet Klimaschutz der Wirtschaft? |
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Um die Frage beantworten zu können, muss man erstmal klären, was das überhaupt bedeuten soll, „der Wirtschaft schaden”. Die gängige Vorstellung in unserer Gesellschaft lautet: Wächst das Bruttoinlandsprodukt, geht es der Wirtschaft gut. Die Frage ist also: Schadet Klimaschutz dem BIP? (Warum das BIP erstens kein optimaler Maßstab ist und zweitens sein Wachstum eher ein Problem für die Pariser Klimaziele darstellt, haben wir in einer anderen Ausgabe dieses Newsletters erklärt.) |
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Wie kann Klimaschutz zum Boost für die Wirtschaft werden? |
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Wenn der Staat klimafreundliche Investitionen fördert, kann das die Nachfrage in der Wirtschaft ankurbeln. Zusätzliche Nachfrage entsteht dann zum Beispiel bei Unternehmen, die Wärmepumpen produzieren oder Maschinen, um die Stahlherstellung klimaneutral zu machen.
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Wie kann Klimaschutz auf der anderen Seite der Wirtschaft schaden? |
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Höhere CO2-Preise können die Nachfrage in der Wirtschaft dämpfen. Wenn das Heizen, Autofahren etc. für die Menschen teurer wird, können sie sich weniger andere Dinge leisten. Gegensteuern können Regierungen, indem sie das Geld aus der CO2-Bepreisung wieder an die Bürger*innen und Unternehmen und damit in den Wirtschaftskreislauf zurückgeben.
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Je nachdem, wie schnell die Wirtschaft klimaneutral werden soll, kann es zu sogenannten „stranded assets” kommen. Das bedeutet, dass zum Beispiel Maschinen, die eigentlich noch funktionsfähig wären, nicht mehr genutzt werden dürfen, weil sie zu viele Treibhausgase verursachen.
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Aber: Kein Klimaschutz schadet der Wirtschaft am allermeisten |
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Verschiedene Studien betrachten, wie die Erderhitzung die wirtschaftliche Aktivität beeinflusst. Dabei gibt es eine wichtige Unterscheidung: Beziehen die Studien nur den direkten Einfluss der Erhitzung ein, also vor allem die Kosten durch steigende Temperaturen? Oder auch die indirekten, das heißt zum Beispiel auch Veränderungen bei den Niederschlägen? |
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Bei den direkten Folgen sind die Schäden für die Wirtschaft in den Studien oft relativ überschaubar. Anders sieht es bei den indirekten Folgen aus. Eine Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) von April 2024 hat gezeigt: Selbst, wenn die Welt sofort damit begänne, Treibhausgas-Emissionen massiv zu reduzieren, würde die Klimakrise im Jahr 2050 voraussichtlich weltweit 38 Billionen Dollar (knapp 36,4 Billionen Euro) an Schäden verursachen. Und: Die Weltwirtschaft müsse bis 2050 mit einem Einkommensverlust von 19 Prozent rechnen, schreiben die PIK-Forscher – wobei mögliche Schäden durch Stürme oder Waldbrände noch nicht eingerechnet sind. |
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Soweit die Zahlen. Journalist*innen sind es gewohnt, auf diese nüchterne Weise über die wirtschaftlichen Folgen der Erderhitzung zu schreiben. Darüber sollten wir aber nicht vergessen: Klimakrise bedeutet, dass Menschen ihr Zuhause verlieren, vertrieben werden, sterben. Außerdem können die Studien suggerieren, dass wir genau berechnen könnten, wie sich die Klimakrise entwickelt. Wann wir gefährliche Kipppunkte überschreiten – mit viel drastischeren Folgen für Menschen und Wirtschaft – kann aber keine Studie genau sagen. |
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Eine Wirtschaft, die den Menschen dient? |
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Wenn es nach Hannah Strobel vom Next Economy Lab ginge, sollte statt Wachstum etwas anderes im Zentrum von Wirtschaften stehen: Menschen und ihre Chance auf ein gutes Leben – innerhalb der planetaren Grenzen. |
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Aus der Praxisforschung mit Unternehmen nennt die Soziologin drei Attribute, welche eine wirklich klimafreundliche Wirtschaft auszeichnen: wachstumsunabhängig, suffizient und kooperativ. In der Aufzeichnung geht sie auf jeden Begriff ausführlich ein und nennt auch Beispiele für Unternehmen, die diese Attribute erfüllen. So verstünden beispielsweise die Richard Henkel GmbH, die Elektrizitätswerke Schönau und Voelkel Wachstum nicht als Selbstzweck. |
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Auf dem Weg zur Suffizienz ist Strobel zufolge der Smartphone-Hersteller Shift, der ein Pfandsystem für seine Handys eingeführt hat, um die Rohstoffe zu recyceln. Das Next Economy Lab hat sicher noch mehr Beispiele, falls du mal einen Text über voranschreitende Unternehmen schreiben möchtest. |
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