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Unsere Newsletter → ONBOARDING → IPCC-Bericht
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Hallo!

Im März ging es in Sachen Klima Schlag auf Schlag: Meeresschutzabkommen, Wasserstrategie, Emissionsdaten, Willow-Projekt, IPCC-Synthesebericht, Waldzustandsbericht, Zyklon Freddy, Volksentscheid – Stoff für ein ganzes Jahr Klima-Berichterstattung. In dieser Ausgabe bekommst du das, was wir am wichtigsten finden, als verdauliche Häppchen serviert:

  • einen Shortcut in den IPCC-Bericht

  • Best-Practice: Was wir aus der Berichterstattung über die Klimaziele lernen können

  • Starthilfe für deine Recherchen: zwei Wissenschafts-Appetizer

Letztere snackt ihr laut Umfrage ganz gern. An dieser Stelle nochmal danke an alle, die unsere Fragen beantwortet haben – highly appreciated!

Leonie Sontheimer und Katharina Mau vom Netzwerk Klimajournalismus Deutschland

Aufmerksamkeit, die kann der IPCC-Synthesebericht auf jeden Fall gebrauchen. Schon einen Tag nach Veröffentlichung musste man auf Medien-Startseiten teils sehr lang scrollen, um überhaupt noch darauf zu stoßen.

Die IPCC-Berichte sind DIE Quelle für den wissenschaftlichen Stand rund ums Klima. Deshalb sind sie nicht nur bei ihrer Veröffentlichung relevant, sondern können dir in den nächsten Jahren bei deinen Recherchen helfen. Dafür haben wir dir in dieser Ausgabe einen Spickzettel zusammengestellt. Zunächst aber ein kleines Q&A. Wenn du die Fragen selbst beantworten kannst, umso besser, dann lies einfach nach dem Tweet von Ajit Niranjan weiter.

Wofür steht IPCC?

Für Intergovernmental Panel on Climate Change. Das ist eine zwischenstaatliche Institution der UN. Wissenschaftler*innen aller Nationen und verschiedener Disziplinen fassen im IPCC regelmäßig die aktuelle Forschung zur Klimakrise in Berichten zusammen – since 1988.

War der Bericht, der am 20. März veröffentlicht wurde, neu?

Jein. Der IPCC veröffentlicht alle fünf bis sieben Jahre einen neuen Sachstandsbericht. Zum aktuellen Zyklus gehören die Teilberichte der drei Arbeitsgruppen, drei Sonderberichte und der gerade erschienene Synthesebericht. Darin wird der gesamte Zyklus nochmal zusammengeführt, aber keine neue Forschung berücksichtigt. Der Bericht enthält aber neue, extrem anschauliche Grafiken.

Die Grafik findest du auf S. 7 in der Summary for Policy Makers des Syntheseberichts.

Wer hat beim IPCC-Bericht das letzte Wort, die Wissenschaftler*innen oder Politiker*innen?

Der Synthesebericht durchläuft ein komplexes Review-Verfahren, in dem auch Regierungen kommentieren können, am Ende aber Forschende entscheiden. Die kürzere Summary for Policy Makers wird auf einer mehrtägigen Plenarsitzung Satz für Satz von den Mitgliedstaaten verabschiedet. Wenn eine Regierung eine Umformulierung vorschlägt, müssen die Autor*innen sicherstellen, dass sie wissenschaftlich korrekt ist. Alles, was im Report steht, wird von den wissenschaftlichen Teams im Konsens entschieden – er ist daher grundsätzlich recht konservativ. Strittige Punkte werden ausdiskutiert, deshalb ziehen sich die Sitzungen oft bis in die Morgenstunden. Medien sind in diesen Sitzungen nicht zugelassen, nur das Team des Earth Negotiation Bulletin. Ajit Niranjan hat deren Bericht gelesen und wichtige Punkte auf Twitter geteilt:

Dein IPCC-Spickzettel

Die IPCC-Berichte sind lang. „Schnell mal” nach einer Quelle für eine Aussage suchen, ist oft schwierig. Deshalb stellen wir dir hier eine Übersicht zusammen. Benutze sie, wenn du auf Kommentare antwortest, Politiker*innen interviewst, unter Zeitdruck etwas einordnen musst oder dir jemand Aktivismus vorwirft, obwohl du nur deinen Job machst. Alle Statements findest du in der Summary for Policymakers des Syntheseberichts. Wir geben jeweils die Seitenzahl und die Nummer des Abschnitts an.

Damit du in Zukunft nicht lange suchen musst, mach jetzt am besten zwei Dinge:

  • Speicher dir diesen Newsletter ab, damit du ihn wiederfindest.

Es ist dringend

Klimajournalistin Verena Mischitz fasst den IPCC-Synthesebericht auf Instagram in zwei Sekunden zusammen: „Es ist dringend.” Die Autor*innen des IPCC-Berichts finden sehr klare Worte, mit denen man ruhig mal Politiker*innen konfrontieren kann: „Das Zeitfenster, um eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft für alle zu sichern, schließt sich schnell” (S. 25, C.1). Und der IPCC sagt auch, dass wir – die Menschen, die jetzt gerade auf der Erde leben – darüber bestimmen, wie das Leben hunderter Generationen nach uns aussieht: „Die Entscheidungen und Maßnahmen, die wir in diesem Jahrzehnt umsetzen, wirken sich jetzt und für Tausende von Jahren aus.” (S. 25, C.1)

„Peak Treibhausgase” bis spätestens 2025

Um die 1,5-Grad-Grenze mit 50 Prozent Wahrscheinlichkeit oder die 2-Grad-Grenze mit 67 Prozent Wahrscheinlichkeit einzuhalten, müssen die Treibhausgasemissionen spätestens 2025 ihren Peak erreichen und dann schnell sinken (S. 21, B.6.1). Für die 50:50 Chance, die Erhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen, müssen sich die CO2-Emissionen (ausgehend von 2019) bis etwa 2030 halbieren und bis 2035 um zwei Drittel sinken (Tabelle auf S. 22).

Mit der aktuellen Politik erhitzt sich die Erde bis 2100 um 3,2 Grad (S. 11, A.4.4).

Das Willow-Projekt (und andere fossile Projekte) konsequent einordnen

Forschende haben die zukünftigen Emissionen der fossilen Infrastruktur geschätzt, die es schon heute gibt. Sie sind größer als das Budget, das uns noch bleibt, um die 1,5-Grad-Grenze mit 50 Prozent Wahrscheinlichkeit einzuhalten. Zu den vorhandenen kann man dann noch die schon geplanten fossilen Projekte rechnen: Dann sind die Emissionen ungefähr so groß wie das Budget, mit dem wir die Erhitzung auf zwei Grad begrenzen – mit 83 Prozent Wahrscheinlichkeit. (S.21, B.5.3)

Wenn also Joe Biden neue Ölbohrungen in Alaska genehmigt oder Olaf Scholz in die Erdgasförderung im Senegal investieren will, ist das mit dem Pariser Klimaabkommen nicht vereinbar. Das können und müssen wir ganz klar so einordnen.

Wir sind weit davon entfernt, CO2 einfach wieder aus der Luft zu holen

In manchen Bereichen sind wir darauf angewiesen, CO2 aus der Luft zu holen und zu speichern. Für die Zementindustrie gibt es zum Beispiel bisher keine andere Lösung. In den modellierten Szenarien, mit denen wir die 1,5- oder 2-Grad-Grenze einhalten würden, sind die sogenannten CCS-Technologien (für Carbon Capture and Storage) also schon mitgedacht. Aber: Die CCS-Projekte, die es heute weltweit gibt, sind weit davon entfernt, so viel CO2 aus der Luft zu holen, wie für die modellierten Szenarien notwendig (S. 22, Fußnote 47).

Nach 1,5 kommt nicht 2, sondern 1,51

Wir müssen anerkennen: Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass wir die 1,5-Grad-Grenze zumindest zeitweise überschreiten (S. 24, B.7.1). Wesentlich ist es, die Erderhitzung so weit wie eben möglich zu begrenzen. Mit jedem hundertstel Grad Erwärmung führt die Klimakrise zu mehr Schäden und Verlusten (S. 15, B.2.2). Außerdem wird es wahrscheinlicher, dass wir Kipppunkte überschreiten (S 19., B.3.2). Wenn wir es aber ab Mitte des Jahrhunderts schaffen, mehr CO2 aus der Atmosphäre zu ziehen, als wir dann noch ausstoßen (zum Beispiel mit Hilfe von Aufforstung und Moorvernässung), würde die globale Durchschnittstemperatur langsam wieder sinken (S. 24, B.7.1). Darauf dürfen wir uns aber auf keinen Fall ausruhen. Für Folgen in naher Zukunft (Hitzetote, Überflutungen, schlechte Ernten) siehe S. 15, B.2.1.

Die Klimakrise ist ungerecht

Reiche Menschen stoßen überdurchschnittlich viele Emissionen aus und können am meisten einsparen (S. 33, C.5.4). Communities, die in der Vergangenheit am wenigsten zu der Klimakrise beigetragen haben, sind am stärksten von den Folgen betroffen (S. 5, A.2).

Wir können noch was tun

Tiefgreifender, schneller und nachhaltiger Klimaschutz und rasch umgesetzte Maßnahmen zur Anpassung in diesem(!) Jahrzehnt sind technisch machbar, würden die Schäden und Verluste verringern und gleichzeitig die Luftqualität und die Gesundheit verbessern (S. 27, C.2). Heißer Tipp: Der Teilbericht der Arbeitsgruppe III ist vollgepackt mit Lösungen, über die man mal berichten sollte. Hier geht’s zur Zusammenfassung.

Mehr IPCC-Shortcuts

Wenn ihr Schwierigkeiten habt, die Berichte zu verstehen, seid ihr nicht allein – sie sind verklausuliert und technisch. Deshalb hier noch ein paar weitere Tipps: Zumindest die Hauptaussagen des Syntheseberichts gibt es auch auf deutsch. Covering Climate Now hat wichtige Punkte in einfaches Englisch übersetzt. Und Ajit Niranjan beantwortet in einem Video Fragen mit Statements aus den drei IPCC-Berichten. Für die Ultras gibt es den Podcast „Das Klima”, in dem der gesamte Sachstandsbericht Kapitel für Kapitel durchgesprochen wird.

Klimaziele – erreicht?

Am 15. März veröffentlichte das Umweltbundesamt eine Prognose zu den Treibhausgasen, die Deutschland 2022 ausgestoßen hat. Die Schlagzeilen fielen unterschiedlich aus. Von „Klimaziel erreicht” bis „Klimaziele verfehlt” war alles dabei. Wie das sein kann? Das erklärt Lisa Kräher auf Übermedien und dröselt Pariser Ziele, Klimaschutzgesetz und Sektorziele verständlich auf. Das Team von @klima.neutral hat derweil gezeigt, wie man die Komplexität dessen auf vier Insta-Slides herunterbrechen kann.

Und dann kam, während wir diesen Newsletter schrieben, die Nachricht, dass die Koalition die Trennung der Sektorziele komplett aufheben möchte. Was soll man sagen? „Aus klimapolitischer Sicht einigermaßen unfassbar”, schreibt Spiegel-Redakteur Kurt Stukenberg auf Twitter.

Wie wird eine Stadt klimaneutral?

Der Volksentscheid „Klimaneutral 2030” ist gescheitert. Trotzdem ist dieser Text von Petra Pinzler aus der Zeit noch immer lesenswert. Er macht greifbar, was es braucht, damit eine Stadt klimaneutral wird und wie unterschiedlich Menschen diesen Herausforderungen gegenüberstehen. Lieblingsstelle: „Man könne auch darüber abstimmen, ob die Spree nicht besser rückwärts fließen solle, sagen manche spöttisch. Was aber, wenn die Klimakrise von all diesen Diskussionen um Machbarkeit und Unmöglichkeiten unbeeindruckt bleibt?”

Wie geht guter Klimajournalismus?

Diese Frage hat sich die Europäische Rundfunkunion gestellt und einen großen Report aufgesetzt. Acht Monate lang hat das Team um Alexandra Borchardt Interviews geführt, Fallbeispiele gesammelt und Daten analysiert. Das Ergebnis ist wirklich eine Schatzkiste und wir empfehlen, mal zwei Stunden zum Lesen freizuschaufeln. Für Eilige gibt es ein Interview mit Borchardt im Deutschlandfunk (ab Minute 14:30) in dem sie die Empfehlungen des Reports auf den Punkt bringt: „Wir müssen über Lösungen berichten. Das ist kein Aktivismus, sondern Aufklärung.”

Nur jeder fünfte Baum in Deutschland ist gesund

Das Thünen-Institut für Waldökosysteme erstellt jedes Jahr einen Bericht zum Zustand der Wälder in Deutschland. Dazu sehen sich die Forschenden an, wie stark die Baumkronen verlichtet sind, also wie viele Blätter oder Nadeln im Vergleich zu einem gesunden Baum fehlen. Das Ergebnis, wie schon im letzten Jahr: Nur jeder fünfte Baum in Deutschland ist gesund.

Starthilfe für deine Recherchen

Das Science Media Center hat ein neues Angebot gestartet: Die sogenannten Living Factsheets sind Übersichtsseiten, die das Team regelmäßig aktualisiert. Perfekt als Ausgangslage für Recherchen also. Die ersten beiden gibt es zur Antarktis in der Klimakrise und zu den Problemen rund um Plastik. Sie enthalten nicht nur den aktuellen Wissensstand, sondern – praktisch für Journalist*innen – auch Fallstricke in der Berichterstattung und offene Forschungsfragen.

So. Danke für deine Aufmerksamkeit! We know, wir schreiben das jedes Mal, aber: Wenn dir eine Person einfällt, die den IPCC-Spickzettel auch gut gebrauchen könnte, schicke ihr gern direkt diese Mail . Und wenn du das Briefing selbst weitergeleitet bekommen hast, kannst du dich hier kostenlos anmelden:

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