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Unsere Newsletter → ONBOARDING → CO2-Budget
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Hallo *|FNAME|*!

Hier kommt die erste Ausgabe von „Onboarding Klimajournalismus”. Jeden ersten Montag im Monat schicken wir dir ein Briefing, das dir dabei helfen soll, dich Schritt für Schritt weiter in den Klimajournalismus einzuarbeiten. Schön, dass du an Bord bist!

Gestern ist in Ägypten die COP27 gestartet, die siebenundzwanzigste Weltklimakonferenz. Vertreter*innen aus fast allen Ländern werden tagelang verhandeln: Wer muss wie viel CO2 einsparen? Wer zahlt wem wie viel Geld für die Anpassung an die Erderhitzung? Wir Journalist*innen müssen die richtigen Fragen stellen. Um dir dabei zu helfen, dröseln wir ein paar der wichtigsten Basics auf. In dieser Ausgabe liest du:

warum die deutschen Klimaziele eigentlich Bullshit sind

wie die @klima.neutral-Presenterin Samira El Hattab sich auf die COP vorbereitet hat

und welche Klimastudien in den letzten Wochen besonders wichtig waren.

Leonie Sontheimer und Katharina Mau vom Netzwerk Klimajournalismus Deutschland

Im Oktober sprach Bundeskanzler Olaf Scholz davon, neue Gasfelder „im Rahmen unserer Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen“ zu erschließen. Dabei stellt der Weltklimarat IPCC eindeutig klar, dass selbst die schon bestehenden und geplanten Projekte fossiler Infrastruktur nicht mit der Einhaltung des Pariser Klimaabkommens vereinbar sind. Vor diesem Hintergrund ist Scholz’ Formulierung ziemlich offensichtlich: Quatsch. Aber nur wenige Journalist*innen hinterfragten diese Aussage.

Damit du sie kritisch einordnen kannst, ein paar ganz wichtige Basics: Bei der COP21, der Weltklimakonferenz in Paris 2015, einigten sich die Staaten darauf, die globale Durchschnittstemperatur im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf weit unter 2 Grad Celsius zu begrenzen. „Preferably“ auf 1,5 Grad.

Wenn man weiß, welchen Unterschied die 0,5 Grad für hunderte Millionen Menschen bedeuten, ist „vorzugsweise” ein absurder Zusatz. Die Zusammenfassung des IPCC-Sonderberichts zu der Grad-Frage hat 21 sehr vollgestopfte Seiten. Ganz kurz: Mehr extreme Hitze, Dürren, Überschwemmungen, Hungersnöte – eine 2-Grad-Welt will niemand haben. Wenn ihr mal einen Vormittag Zeit habt: In dem Sonderbericht stecken tausend Rechercheansätze für Klimageschichten. Es lohnt sich also, sich einmal durchzuarbeiten.

Das deutsche CO2-Budget ist quasi aufgebraucht

Um die Erhitzung mit 67 Prozent Wahrscheinlichkeit auf 1,5 Grad zu begrenzen, blieben der Welt Anfang 2020 noch 400 Gigatonnen CO2. Das sogenannte CO2-Budget wird täglich kleiner, solange wir weiter Treibhausgase ausstoßen. Und neue Gasfelder bedeuten immer: weitere Emissionen über viele Jahre.

Die Kernfrage ist: Wie wird das verbleibende CO2-Budget unter den Ländern aufgeteilt? Gerecht wäre eigentlich, dass Länder wie Deutschland, die in der Vergangenheit schon sehr viele Emissionen verursacht haben, im Vergleich nur noch weniger ausstoßen dürfen. Je nachdem, wie man diese Klimaschulden berechnet, wäre Deutschlands Budget bereits aufgebraucht.

Eine internationale Abmachung über ein faires Verteilungsprinzip gibt es momentan nicht. Eine Möglichkeit: das Budget gleichmäßig auf alle Menschen weltweit aufteilen. Laut dem Sachverständigenrat für Umweltfragen hätte Deutschland damit ab Beginn 2022 noch 3,1 Gigatonnen CO2 übrig. Und zwar, um seinen Anteil daran zu leisten, die Erhitzung mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit auf 1,5 Grad zu begrenzen. Das ist, wie eine Münze zu werfen.

Wenn wir die CO2-Emissionen von jetzt an jedes Jahr um die gleiche Menge bis auf null senken würden, müsste Deutschland schon 2031 klimaneutral sein. Das Klimaziel für 2030 ist aber, die Emissionen um 65 Prozent zu reduzieren. Klimaneutralität soll erst 2045 erreicht sein. Wenn man unser CO2-Budget ernst nimmt, muss man also anerkennen, dass die Klimaziele nicht damit zusammengehen. Das ist der Widerspruch, auf den wir Journalist*innen aufmerksam machen müssen.

Samira, was sind die wichtigsten Themen auf der COP27?

Eines der größten Themen läuft unter dem Schlagwort Loss and Damage: Wie können die Länder, die die meisten Emissionen verursachen, die Länder finanziell unterstützen, die schon am stärksten unter der Klimakrise leiden? Der globale Norden hat sich schon 2009 verpflichtet, ab 2020 jährlich 100 Milliarden Euro zu zahlen – das wird bisher nicht eingehalten.

Außerdem wird entscheidend sein, wie viele Länder ihre Ziele verschärfen, um Emissionen einzusparen. Mit den aktuellen Zusagen würden wir bis Ende des Jahrhunderts eine Erhitzung von etwa 2,5 Grad erzeugen.

Samira El Hattab arbeitet als freie Journalistin und Presenterin für den WDR-Instagram-Kanal @klima.neutral. Dieses Jahr fährt sie zum ersten Mal auf die Weltklimakonferenz. Im Gepäck: Spickzettel für die wichtigsten Themen. Foto: Annika Fußwinkel.

Wie bereitest du dich vor?

Ich mache das alles nicht alleine, sondern mit meiner Kollegin Jule Zentek. Wir haben uns an einige Organisationen gewandt und um Hintergrundinfos und Gespräche mit Expert*innen gebeten: zum Beispiel an das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung, Agora Energiewende, Germanwatch und German Zero. Mit den Expert*innen zu sprechen, hat uns total geholfen, einen Blick für das große Ganze zu bekommen.

Welche Newsletter liest du, wem folgst du auf Twitter?

Ich finde den Tagesspiegel Background-Newsletter zu Energie und Klima total gut. Er hat zwar eine Bezahlschranke, aber allein die Headlines geben schon einen guten Überblick darüber, was gerade wichtig ist. Zur internationalen Klimapolitik folge ich gerne Leuten, die bei der BBC, bei Euractiv oder Politico arbeiten. Von der BBC macht zum Beispiel Esme Stallard sehr gute Threads, wenn neue Klima-Berichte herauskommen.

Du wirst für verschiedene Medien aus Scharm El-Scheich berichten. Wie hast du gepitcht?

Wir merken, dass viele Redaktionen sich einen lokalen Ansatz wünschen. Also haben wir geguckt: Was passiert in Region XY in Bezug aufs Klima? Und darauf aufbauend berichten wir dann von der COP. Fest steht: Die 2,5 Grad Welt, auf die wir uns zubewegen, ist einfach eine scheiß Welt. Das müssen wir als Journalist*innen noch viel deutlicher machen.

Emissions Gap Report

Zum 13. Mal ist der Emissions Gap Report des UN-Umweltprogramms erschienen. Er sieht sich einen Widerspruch an: Wie viele Emissionen werden wir mit den aktuellen Plänen der Länder bis 2030 ausstoßen? Und wie viele dürften wir noch ausstoßen, um die schlimmsten Folgen der Klimakrise zu verhindern? Fazit: Momentan gibt es keinen glaubwürdigen Pfad, um das 1,5 Grad Limit zu halten. Und was hoffentlich klar geworden ist: Wir können nicht bis 2030 einfach jedes Jahr nachverhandeln. Denn bis dahin ist das CO2-Budget längst aufgebraucht.

Neue Kipppunkte-Studie

Wenn der grönländische Eisschild komplett abschmilzt, würde der Meeresspiegel (über viele tausend Jahre) um etwa sieben Meter ansteigen. Forschende vermuten, dass es einen bestimmten Punkt der globalen Erhitzung gibt, ab dem sich dieser Vorgang nicht mehr stoppen lässt. Selbst wenn wir danach die Emissionen vollständig reduzieren – das Eis ließe sich nicht mehr retten, unsere Küsten also auch nicht. Grönlands Eisschild ist nur eines von mehreren Kippelementen. Eine wichtige neue Studie zu den globalen Kippelementen erschien im renommierten Fachmagazin Science, leider genau einen Tag nach dem Tod der Queen. Die Kernaussage, die eigentlich auf alle Titelseiten gehört hätte: Selbst wenn wir das Pariser Klimaabkommen einhalten, könnten mehrere Kipppunkte ausgelöst werden.

Puh? Ja!

Wie fandest du das erste Onboarding? Schreib uns dein Feedback. Und wenn du eine Person kennst, die diesen Newsletter unbedingt lesen sollte: gerne jetzt gleich weiterleiten!

Wenn du dich mit der Komplexität der Klimaberichterstattung nicht allein fühlen möchtest, komm zu den monatlichen Online-Calls des Netzwerk Klimajournalismus. Die Einladung erhältst du über den allgemeinen Netzwerk-Newsletter.

Wir möchten uns bei Linda Rammes für das Design dieses Newsletters bedanken. Und bei Paula Winkler, die uns vor dem schönen Blau fotografiert hat, vor dem auch Sophie Passmann schon stand.

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